Berufsunfähigkeitsversicherung: Eine Erklärung zum Anhören & Nachlesen

In dieser Folge dreht sich alles um die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) - eine der wichtigsten Versicherungen überhaupt. Aus dem Gespräch, das Shiloo Köhnke mit Dr. Arne Becker, Aktuar, Versicherungsmathematiker und Produktmanager bei der Hannoversche, geführt hat, haben sich neben einer ganz einfachen, gut verständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung Erklärung auch noch viele hilfreiche Antworten auf wichtige Fragen rund um die BU ergeben. 

 

Sie gehen dabei zum Beispiel den Fragen nach, was eine BU-Versicherung genau ist, was sie leistet und warum sie so wichtig ist. Wer sich bisher noch nicht genauer mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigt hat, sollte unbedingt in diese Folge reinhören! Alle Informationen gibt es hier zusätzlich auch zum Nachlesen.

LebensWert - das Jetzt versichern

Willkommen bei LebensWert - das Jetzt versichern. Mein Name ist Shiloo Köhnke und ich bin Host in diesem Podcast der Hannoversche. Ich freue mich, die Gelegenheit zu nutzen, hier mit verschiedenen Expert:innen zu sprechen. Dabei geht es uns darum, komplexe Versicherungsthemen einfach zu klären. Damit das Jetzt - dieser Moment, in dem sich alles gut und richtig anfühlt, gesichert ist.

Shiloo Köhnke: Herzlich Willkommen bei "LebensWert - das Jetzt versichern". Heute wollen wir über die Berufsunfähigkeitsversicherung sprechen, eine Absicherung die anerkanntermaßen als eine der wichtigsten Vorsorgeformen überhaupt gilt. Man muss es wirklich sagen, Verbraucherschützer, Versicherer und die Medien sind sich da einig: Wer seinen Lebensunterhalt über das Gehalt bestreitet, der sollte über diese Vorsorgeformen informiert sein.

Im Gespräch begrüße ich heute meinen hochgeschätzten und kompetenten Kollegen Dr. Arne Becker. Lieber Arne, herzlich Willkommen. Schön, dass du hier bist!

Dr. Arne Becker: Hallo Shiloo, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass ich hier sein darf und ich hoffe wir machen einen spannenden Podcast für unsere Zuhörern zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung.

Shiloo Köhnke: Ich habe es gerade schon gesagt, es ist eine der wichtigsten Vorsorgeformen, über die man informiert sein sollte. Du bist Produktspezialist für biometrische Produkte, Versicherungsmathematiker und Aktuar.

Vorweg bevor wir ins Fachliche einsteigen eine persönliche Frage an Dich. Als du damals im Kindergarten warst, hat der kleine Arne schon da im Alter von drei bis vier Jahren über seinen Beruf nachgedacht und gedacht: Versicherungsmathematiker oder Aktuar sogar, das wäre was.

Dr. Arne Becker: Nein, das hat der kleine Arne nicht gedacht. Das war für mich ein Prozess, der sich entwickelt hat. Ich habe beim Abitur die Schwerpunkte Mathe und Physik gehabt also die naturwissenschaftlichen Fächer. Ich konnte das ganz gut, aber was viel wichtiger ist, ich hab das total gerne gemacht.

Für mich war dann klar, dass ich Mathematik studieren möchte und stand dann vor der Frage, mache ich die reine Mathematik oder versuche ich das in die Anwendung zu bringen. Und habe mich dann entschlossen Wirtschaftsmathematik zu studieren.

Ich hatte dann während des Studiums Kontakt zu so Sachen wie Versicherungsmathematik, zu Finanzmathematik. Und das war dann der Punkt, wo ich für mich entschieden habe, damit würde ich mich beschäftigen das will ich machen. Und ich stand dann nach der Promotion vor der Frage: Mache ich jetzt Banken oder Versicherungen?

Ich habe mich dann für letzteres entschieden und habe das nie bereut. Ich bin total happy mit meinem Job als als Versicherungsmathematiker bzw. Produktmanager.

Shiloo Köhnke: Ja, das kann ich mir vorstellen. Gerade in diesem Bereich Biometrie geht es ja auch sehr stark um gesellschaftliche Entwicklungen, um Statistiken, um demografischen Wandel und solche Sachen.

Bevor wir darauf noch eingehen, kannst du jetzt mit deinem beruflichen Werdegang uns einmal erklären, was biometrische Vorsorgeprodukte eigentlich sind. Weil Biometrie kennt man ja sonst vielleicht so aus einem anderen Bereichen biometrisches Bild oder sowas. Das ist hier ja gar nicht gemeint. Worum geht es, wenn man biometrische Risiken beschreibt?

Dr. Arne Becker: Ein biometrisches Risiko ist ein Risiko, was eben am Leben des Menschen hängt. Da gibt es ganz unterschiedliche Sachen, da gibt es sowas wie den Tod, da gibt es sowas wie eine Langlebigkeit aber eben auch sowas wie Invalidisierung.

Da wollen wir heute zu sprechen, genauer Berufsunfähigkeitsversicherung. Und das alles sind Risiken, die wenn sie eintreten, einen unterschiedlichen Bedarf bei den Kunden wecken.

Ich stell mir jetzt eine Familie vor, die vielleicht gerade eine Immobilie gekauft haben. Und jetzt stirbt der Hauptverdiener und plötzlich versiegt der Einkommensstrom. Dann ist der Bedarf da, da eben eine Geldleistung in Form einer Einmalzahlung zu bekommen oder vielleicht eine Rentenzahlung und das könnte man dann zum Beispiel über eine Risikoversicherung abdecken.

Was bedeutet Langlebigkeit? Ich stelle mir jetzt einen Rentner vor, der vielleicht in seinem Arbeitsleben Kapital angehäuft hat, was er jetzt sozusagen entsparen will. In der Rentenphase, das wissen wir alle, gerade ganz aktuell gibt's gar keine Zinsen mehr, das ist das eine.

Hinzu kommt, dass die Inflation auch spürbar anzieht und dann eben für den Menschen Langlebigkeitsrisiko bedeutet, dass das Kapital schneller entspart ist und der Mensch am Ende noch lebt. Und auch dieses Risiko kann man abdecken z.B. mit einer Rentenversicherung. Und bei der Berufsunfähigkeit, was Du schon ausgeführt hast, ist eben die große Gefahr, ich kann meinen Beruf nicht mehr ausüben und habe aber Ausgaben, die in dem Fall, wenn ich die Ausgaben nur durch mein Einkommen decken kann, ich dem nicht mehr nachkommen kann. Und dieses Risiko kann durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgedeckt werden.

Vielleicht noch einen Satz: Das ist eben die Kernkompetenz oder das Geschäftsmodell, einer Lebensversicherung, die bewerten Risiken und geben dem Kunden die Möglichkeit das eben über der Versicherungsprämie abzudecken.

Shiloo Köhnke: Ja genau, das ist wichtig. Du hast es gerade schon angesprochen: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ersetzt sozusagen den monatlichen Gehaltsfluss, das heißt, für jemanden, der jetzt noch jung ist und in den Beruf einsteigt und sich das allererste Mal mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherung auseinandersetzt - Wie würdest Du es beschreiben, welches Motiv ist für denjenigen am wichtigsten? Weil er steigt ja gerade erst ein in den Beruf, das heißt, er hat noch gar nicht einen regelmäßigen Gehaltsfluss gehabt.

Warum ist für diese Leute auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung schon in den Studienjahren, sag ich mal als Student, wichtig?

Dr. Arne Becker: Vielleicht steigen wir in das Thema ein über Auslöser. Also was bedeutet Berufsunfähigkeit. Ich glaube, das ist klar: Ich kann einfach meinen Beruf nicht mehr ausüben und dafür gibt es verschiedene Auslöser. Das können psychische Erkrankungen sein, das können Störungen des Bewegungsapparates sein, das können aber auch schwere Krankheiten wie, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall sein.

Bei der Aufzählung dieser Sachen bemerkt man vermutlich schon, dass das Sachen sind, die jeden treffen kann. Junge Menschen wie eben auch ältere Menschen. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass auch Studenten und Schüler auch wenn Sie derzeit noch gar keinen Beruf ausüben sich eben davor schützen, bei Eintritt solcher Auslöser keinen Beruf mehr ausüben zu können und eben dann auch ein Einkommen zu erzielen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit denen sie ihre Kosten decken können.

Shiloo Köhnke: Ja, das ist ein wesentlicher Punkt. Stichwort Erwerbsminderungsrente: In dem Zusammenhang fällt mir ein: Studenten beispielsweise haben ja noch gar nicht eingezahlt in die Sozialsysteme, sind also womöglich noch gar nicht sozialversicherungspflichtig in irgendwelchen Arbeitsverhältnissen vorher gewesen, und haben vermutlich dann auch gar keinen Anspruch auf staatliche Leistungen wie z.B. eine Erwerbsminderungsrente. Was bleibt für die übrig, wenn sie nicht vorsorgen? Kriegen die dann gar nichts?

Dr. Arne Becker: Die kriegen tatsächlich gar nichts.

Es gibt so ein paar Ausnahmen, die ihm aus einer Unfallversicherung bezahlt werden, wenn irgendwie ein Unfall während des Studiums zum Beispiel eintritt, aber man kann pauschal sagen, die bekommen nix. Und das liegt eben daran, wie Du ausgeführt hast, sie sind halt nicht in der Deutschen Rentenversicherung versichert, zahlen also noch keine Beiträge und das führt dann eben dazu, dass sie dann auch nicht in den Genuss einer Erwerbsminderungsrente kommen. Vollkommen richtig.

Shiloo Köhnke: Das ist ein wichtiger Punkt. Jetzt sagtest du gerade, die Studenten bekommen dann tatsächlich gar nichts für so einen Fall. Aber sie sind doch krankenversichert? Wie sieht es damit aus? Also die Krankenversicherung, übernimmt die irgendwelche Kosten im Fall einer Berufsunfähigkeit?

Dr. Arne Becker: Also Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit, was so die Krankenversicherung übernehmen, das müssen wir glaube ich noch mal ein bisschen sortieren.

Studenten sind typischerweise in der Krankenversicherung, manchmal auch noch als Kinder mitversichert bei ihren Eltern da ist es aber wichtig, wenn sie jetzt längerfristig ausfallen z.B. berufsunfähig werden und auch wenn Sie kurzfristig ausfallen z.B. arbeitsunfähig werden, gibt es kein Krankengeld, was eben ein Angestellter von der Krankenversicherung bekommt, weil der eben überhaupt gar kein Angestelltenverhältnis hat.

Also die Antwort auf Deine Frage ist, ob kurz- oder langfristig arbeits- oder berufsunfähig ein Student erhält kein Geld, keine Leistung.

Shiloo Köhnke: Ja, das war mir wichtig zu klären. Noch mal: Junge Leute, also Studenten, die so in in dem Alter zwischen Anfang bis Ende 20 sind, vielleicht auch Anfang 30, sind ja in der Regel sehr gesund. Profitieren die von ihrem Eintritt in eine Berufsunfähigkeitsversicherung dann auch gemessen an ihrem Gesundheitsstatus? Spielt das eine Rolle?

Dr. Arne Becker: Genau, das spielt eine Rolle. Zum einen sind sie jung, das ist der erste positive Effekt für die Versicherungsprämie und sie sind in aller Regel gesund.

Zu Vertragsbeginn ist typischerweise eine Gesundheitsprüfung durchzuführen, der Versicherer stellt Fragen zum Gesundheitszustand. Weil der Versicherer und der Versicherte ja eine Vertragsbeziehung eingehen, bei der es tatsächlich um eine Menge Geld geht.

Stellen wir uns mal vor, so ein 20-jähriger Student versichert sich bis 67. Das sind dann ja schon knapp 50 Jahre und über diese Laufzeit wird dann eine Rente vereinbart, die wenn man das alles aufsummiert, auch mal in die Millionen gehen kann.

Das heißt, der Versicherer muss natürlich das Risiko genau einschätzen können, stellt Gesundheitsfragen und diese Gesundheitsfragen sind für so einen jungen Menschen im Wesentlichen keine Hürde. Weil ein junger Mensch in der Regel kerngesund ist.

Shiloo Köhnke: Jetzt würde ich gerne einmal auf die Ursachen zu sprechen kommen für eine Berufsunfähigkeit. Bei jungen Menschen stelle ich mir vor, dass das Unfallrisiko durchaus auch gegeben ist.

Jetzt weiß ich aber natürlich, dass die Hauptursache für eine Berufsunfähigkeit tatsächlich psychische Ursachen sind, also klassischer Burnout beispielsweise negativer Stress, depressive Erkrankungen. Wie passt das zusammen? Bei jungen Leuten überwiegen da die Unfälle? Kannst du das ein bisschen aufklären?

Dr. Arne Becker: Ja, gerne. Also der häufigste Auslöser für eine Berufsunfähigkeit allgemein erstmal, nicht nur für junge Menschen, sind psychische Erkrankungen. Fast jeder dritte Leistungsfall geht auf so eine Erkrankung zurück.

Man hat dann in den vergangenen Jahren aber auch eine gewisse Tendenz festgestellt, die so in die Richtung geht. Es war in den 90er Jahren undenkbar, dass ein Familienvater sagt, ich habe eine psychische Erkrankung. Das war einfach ein Tabuthema.

Psychische Erkrankungen haben damals sehr stark korreliert mit Rückenleiden, das strahlt dann automatisch aus und deswegen waren früher so die häufigsten Ursachen tatsächlich eher Störungen des Bewegungsapparates und man sieht jetzt in dem Maße wie die psychischen Erkrankungen zunehmen, gehen auch die Störung des Bewegungsapparates zurück.

Das liegt einfach daran, dass jetzt eine psychische Erkrankung, ein Burnout auch einfach akzeptiert ist als Erkrankung und man auch darüber spricht.

Shiloo Köhnke: Ja, na klar. Wir kennen das in unserer Gesellschaft natürlich wo teilweise extrem hoher Leistungsdruck herrscht, Zeitdruck, vielleicht auch Dauerstress oder so weiter und gerade auch muss man leider sagen im Pandemie-Umfeld haben wir ja gesehen, dass bei Menschen, die auch depressive Vorerkrankungen vielleicht schon hatten, sich die Situation durch eine Pandemie durchaus auch verschlechtern kann. Insofern ist das Thema psychische Ursachen glaube ich weiterhin hochaktuell wichtig.

Dr. Arne Becker: Genau, vielleicht darf ich das noch ergänzen, Shiloo, weil du gerade die aktuelle Pandemie auch ansprichst.

Die führt natürlich dazu, dass ich Bewegungsmangel habe. Und wenn ich Bewegungsmangel habe, werde ich meistens ein bisschen dicker. Das nimmt dann automatisch wieder einen negativen Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und so ein Lockdown, wo ich mich zu Hause isoliere, führt auch dazu, dass ich vielleicht als Student meine Kommilitonen nicht sehe, meine Freunde nicht treffe, und wir haben ja aktuell wirklich Studenten, die haben noch nie eine Uni von innen gesehen.

Sie haben das Studium vor zwei Jahren begonnen und machen das seitdem fast ausschließlich von zu Hause aus. Und das sind alles Einflüsse, die bestimmt nicht positiv sind, die jetzt auch in der Gesellschaft drinstecken und die gegebenenfalls auch Einfluss auf die ganzen Versichertenbestände der Zukunft nehmen, Stichwort "long-covid".

Shiloo Köhnke: Ah ja, vielleicht können wir in dem Zusammenhang noch mal über das Versichertenkollektiv sprechen. Das ist ja die Gemeinschaft aller Versicherungsnehmer bei einem Versicherer, die trägt ja gemeinschaftlich das Risiko auch der einzelnen oder?

Wie ist der Zusammenhang bzw. was ist die Aufgabe eines Versichertenkollektivs?

Dr. Arne Becker: Also der Grundgedanke einer Versicherung ist, dass das Kollektiv sozusagen den Schaden gemeinschaftlich trägt.

Jetzt hatte ich vorhin gesagt, die Kernkompetenz oder das Geschäftsfeld eines Lebensversicherer ist es eben, die Bewertung von Risiken. Und eine Versicherungsgesellschaft gibt dem einzelnen Versicherten eine Prämie. Und jeder Versicherte zahlt sozusagen die Prämie.

Jetzt stellen wir uns das Versichertenkollektiv vor: Wir kriegen sozusagen eine Summe von Prämien und wir können als Lebensversicherer sehr genau sagen, was erwarten wir denn für dieses gesamte Kollektiv an Schaden. Die gesamten Beiträge, die wir einsammeln, sind eben so groß, um den erwarteten Schaden zu bezahlen. Man nennt das auch den Ausgleich im Kollektiv. Damit kann eben ein Einzelrisiko durch eine überschaubare Beitragsprämie sein individuelles Risiko abdecken.

Shiloo Köhnke: Das finde ich einen schönen Gedanken übrigens auch einer Solidargemeinschaft, das steht ja dahinter im Prinzip, dass das Kollektiv dann eben auch die Risiken der Einzelnen trägt, auch finanziell trägt, in dem Moment, in dem ein solcher Leistungsfall eben eintreten kann. 

Gibt es Qualitäts- bzw. Leistungsunterschiede bei den einzelnen Berufsunfähigkeitsversicherungen oder woran erkenne ich ein gutes Produkt aus Deiner Sicht?

Dr. Arne Becker: Es gibt relativ viele Ratinggesellschaften, die die einzelnen Berufsunfähigkeitsprodukte bewerten. Man wird im Internet sehr schnell fündig, wenn man sich damit beschäftigt.

Da gibt es z.B. die Stiftung Warentest, die denke ich ganz bekannt ist, es gibt Franke und Bornberg, es gibt Morgen und Morgen. Jede einzelne Ratinggesellschaft hat ein bisschen einen anderen Geschmack für die Bewertung, aber die Kunden können sich dadurch schon ein sehr umfangreiches Bild machen, wie gut das einzelne Produkt ist.

Shiloo Köhnke: Ratings sind dann eine Orientierungshilfe und das ist auch deine Empfehlung, dass man einmal darauf gucken sollte bzw. es ist ja ein sehr komplexes Produkt und ich kann mir vorstellen, dass wenn man jetzt alleine die Recherche anfängt im Netz und auf die Versicherer geht und die verschiedenen Tarife, da geht's ja immer schon sehr tief ins Thema rein und da sehe ich unterschiedliche Leistungsmerkmale, von denen ich vielleicht gar nicht weiß, ist das eine hilfreiche Leistung für mich oder nicht. Stichwort Arbeitsunfähigkeit, noch mal zurück auf den Punkt, den du vorhin gesagt hast.

Jetzt ist es ja so, jeder weiß man wird mal krank, man kann dann mal arbeitsunfähig sein. Wenn ich also für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig bin, also ab einem Zeitraum von sechs Monaten beispielsweise, habe ich dann Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Dr. Arne Becker: Eigentlich nicht. Die Arbeitsunfähigkeit ist ja eine Leistung, die die Krankenversicherungen bezahlen. Wenn du krank wirst, dann erhältst du erstmal diese Lohnfortzahlung bekanntermaßen, 6 Wochen vom Arbeitgeber und wenn die Krankheit länger als 6 Wochen dauert, dann gibt es bei der gesetzlichen Krankenversicherung das Krankengeld und wenn du eine private Krankenversicherung hast z.B. als Selbständiger, dann bekommst du eben deine Krankentagegeldversicherung, wie du sie mit der Versicherungsgesellschaft vereinbart hast.

Jetzt erster wichtiger Punkt: In der Regel ist das Krankengeld geringer als Dein Nettogehalt, das heißt, es besteht da schon eine gewisse Versorgungslücke und diese Versorgungslücke, die wird umso größer, je größer Dein Einkommen ist, denn das Krankengeld orientiert sich an der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze.

So, jetzt war Deine Ausgangsfrage, jetzt bin ich sechs Monate arbeitsunfähig, habe ich dann Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsleistung. Und meine Antwort war "eigentlich nicht". Warum "eigentlich"?

Diese Arbeitsunfähigkeit oder diese Versorgungslücke vielmehr, die ich gerade beschrieben habe, die hat eben auch Berufsunfähigkeitsversicherungen motiviert, diese Leistung in das Produkt mit zu integrieren und man sagt eben, dass man auch einen kurzfristigen Ausfall, also Arbeitsunfähigkeit, die daraus entstehende Versorgungslücke auch in der Berufsunfähigkeitsversicherung schließen will und das führt dazu, dass man in dem Produkt BU auch schon eine Leistung bei Arbeitsunfähigkeit erhält.

Das ist eine Geschichte, die ist noch gar nicht so alt und die wächst jetzt immer mehr in das Produkt Berufsunfähigkeitsversicherung hinein. Das war der Antritt, die Versorgungslücke, die entsteht zu schließen, auch schon mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Shiloo Köhnke: Ja, genau. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich möchte gern trotzdem noch mal zurück auf das Thema Unfall.

Wir haben zwar gesagt, Hauptursachen sind die psychischen Erkrankungen, dennoch kann ein Unfall ja einfach auch passieren im Alltag, wir kennen das alle. Oder vielleicht auch auf Reisen, man kann mit dem Fahrrad unterwegs sein, ich kann im Skiurlaub sein...

Noch mal die Frage an dich: Greift die Berufsunfähigkeitsversicherung auch im Ausland, greift die 24 Stunden, 7 Tage die Woche? Wie bin ich da geschützt?

Dr. Arne Becker: Man ist wirklich vollumfänglich geschützt. Der Berufsunfähigkeitsversicherung ist es egal, was jetzt zur Berufsunfähigkeit geführt hat und das kann dann eben auch ein Unfall sein und der ist eben bei den jungen Menschen, du hast es gesagt, mit den spannenden Hobbys, die die heutzutage haben, mit den abenteuerlichen Urlauben, die sie unternehmen, da ist es schon da das Unfallrisiko und wenn das dann wirklich eintritt und zur Berufsunfähigkeit führt, ist das auch versichert.

Shiloo Köhnke: Sehr gut. Jetzt haben wir besprochen, wie wichtig diese Art der Vorsorge ist.

Trotzdem gibt's ja immer noch viele Menschen die wahrscheinlich keine Berufsunfähigkeitsversicherung haben. Ich habe gelesen, statistisch gesehen, trifft es jeden Vierten, dass er im Laufe seiner Arbeitstätigkeit, seines Arbeitslebens mindestens einmal berufsunfähig wird.

Kannst du dir erklären woran das liegt, dass dennoch viele Menschen eine solche Vorsorge nicht haben.

Dr. Arne Becker: Ja, das ist wirklich eine gute Frage. Also wir glauben, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung oder das wissen wir, die haben einen Berufsunfähigkeitsschutz. Und die anderen zwei Drittel, die teilen sich ebenso auf, dass die eine Hälfte zu krank ist, um so einen Schutz zu bekommen und die andere Hälfte, sich den Schutz auch nicht leisten kann und jetzt bleiben wir mal bei denen, die zu krank sind.

Ich glaube, man kann einen Menschen schnell davon überzeugen, dass der Bedarf einer Berufsunfähigkeitsversicherung da ist.

Du sagtest gerade, jeder vierte wird im Laufe seines Berufslebens BU und wenn er dadurch kein Einkommen erzielt, braucht er eben Einnahmen um seine Ausgaben zu decken. Also der Bedarf ist schnell vermittelt.

Trotzdem weckt das nicht häufig das Bedürfnis des Kunden diese Versicherung auch abzuschließen. Das ist einfach so dass, der Kunde im Alltag das Fehlen einer Versicherung gar nicht bemerkt, der weiß der Bedarf ist da, aber das Bedürfnis nicht. Ja und dann kommt das Bedürfnis kommt dann meistens ein bisschen zu spät.

Jetzt tritt wirklich was ein, eine schwere Krankheit. Und dann ist der Bedarf eben auch am eigenen Körper spürbar. Das Bedürfnis ist da. Und jetzt haben wir vorhin über Gesundheitsprüfungen gesprochen. Das ist dann leider zu spät und die Hürde zum Vertragsabschluss kann dann mit der Krankheit nicht genommen werden. Ja, das ist das eine Drittel, von dem wir einfach glauben, die sind zu krank und bekommen keinen Schutz mehr.

Und jetzt sprechen wir vielleicht noch mal über die, für die es zu teuer ist. Wir haben halt auch in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein hoch kompetitives Wettbewerbsumfeld. 

Wir haben natürlich einen Wettkampf um die Kunden, der natürlich über die Prämien gespielt wird, und das führt eben dazu, dass man, wenn man sich die Nachfrage mal aufteilt in vielleicht Akademiker, kaufmännisch Angestellte und körperlich Tätige, natürlich das Risiko für Akademiker erst einmal geringer ist berufsunfähig zu werden, die günstigere Prämien haben und man dann natürlich durch diese Differenzierung die körperlich Tätigen teurer gemacht hat. Das ist also wirklich dem Wettbewerb zu verschulden und für diese Handwerker ist es einfach zu teuer ja und die müssen sich dann gute Alternativen suchen. Es gibt Alternativen zur Berufsunfähigkeit.

Man kann auch in der Berufsunfähigkeit selbst die Parameter so steuern, dass man vielleicht die Laufzeiten ein bisschen reduziert oder dass meine Berufsunfähigkeit noch mal mit einer Alternative koppelt.

Shiloo Köhnke: Du sagtest gerade Laufzeiten. Empfehlenswert für eine gute Laufzeit, bis wann sollte ich mich absichern?

Dr. Arne Becker: Typischerweise so lange wie möglich, also bis 67 und um mal ein Gefühl dafür zu bekommen, wenn du die Laufzeit reduzierst auf vielleicht 60 Jahre, dann halbiert sich schon fast die Prämie.

Das ist wirklich ein sehr guter Hebel, um eben doch noch so ein BU-Produkt bezahlbar zu machen für körperlich Tätige.

Shiloo Köhnke: Noch mal anknüpfend an das Thema Laufzeiten. Du hast gerade dazu eine Empfehlung ausgesprochen.

Gibt es auch eine Empfehlung für die Höhe der Versicherungssumme, oder ist das individuell und bemisst sich für jeden eben nach dem eigenen Einkommen.

Dr. Arne Becker: Also, das Einkommen ist natürlich die Bezugsgröße genau und die Relation, die empfohlen wird und die Versicherer auch eingehen sind 60%.

Das heißt, ich kann 60% meines Bruttogehaltes in Form einer Berufsunfähigkeitsrente absichern. So, jetzt denkt man im ersten Moment "Naja, 60%. So wahnsinnig viel ist das nicht."

Es gibt die Besonderheit, das BU-Leistungen anders besteuert werden, als Einkommen. Bei einer BU-Leistung wird der sogenannte Ertragsanteil besteuert und der Ertragsanteil - jetzt wird es ein bisschen trocken - ergibt sich immer in Abhängigkeit von der Restlaufzeit.

Nehmen wir mal an, ich werde mit 40 berufsunfähig und die Versicherung läuft bis 65 dann erwarte ich also 25 Jahre Zahlung. Und diese 25 ist ungefähr der Ertragsanteil, das heißt ich muss von der Rente 25% als Ertragsanteil besteuern. Und das ist eben die Grundlage der Steuer, das heißt die Steuerlast ist für die Rente viel viel geringer. Das heißt, es bleibt dann netto viel mehr übrig als das vom Gehalt ist.

Und jetzt hatten wir vorhin auch schon über die Erwerbsminderungsrente gesprochen: Wenn ich gesetzlich versichert bin und die Krankheit so schwerwiegend ist, dass ich nicht nur berufsunfähig bin, sondern auch erwerbsgemindert, dann erhalte ich natürlich auch noch diese Leistung, die käme dann noch on top. Und die Erwerbsminderungsrente ist so ungefähr 20 bis 30% des letzten Einkommens, dass dann zusätzlich zur BU-Rente noch gezahlt wird.

Was mir vielleicht auch noch als Ergänzung wichtig ist: Wir können natürlich als Versicherungsgesellschaft auch nicht mehr als den Lohn versichern,weil dann natürlich das subjektive Risiko des Versicherten so sehr steigt, dass der sagt: "Mensch, wenn ich jetzt berufsunfähig werde, dann kriege ich ja viel mehr Geld als mein Nettoeinkommen" und deswegen muss das natürlich weniger sein als der Lohn.

Shiloo Köhnke: Ja, klar. Das verstehe ich. Jetzt habe ich noch eine Frage zu der Dauer einer Berufsunfähigkeit bzw. der Form in welcher Art die Absicherung greift.

Wenn ich also jetzt berufsunfähig werde, kann das ja auch sein, dass das nur für einige Monate, für ein halbes Jahr oder für ein Jahr der Fall ist und danach erhole ich mich wieder und kann wieder in meinen Beruf einsteigen, meine Berufstätigkeit wieder aufnehmen.

Bin ich dann weiterhin durch meine Berufsunfähigkeitsversicherung geschützt? Greift die dann immer noch nach diesem Jahr, in dem ich die Leistung schon mal in Anspruch genommen habe?

Dr. Arne Becker: Die Berufsunfähigkeitsversicherung läuft weiter. Also im Fall der Berufsunfähigkeit erhält der Kunde eben die vereinbarte Rente und er muss keine Beiträge zu der Versicherung mehr bezahlen, aber die Versicherung besteht natürlich noch.

Und wenn der Kunde wieder berufsfähig ist und dann sozusagen also auch wieder eigenes Einkommen erzielt durch Arbeit dann werden die Rentenleistungen eingestellt. Der Kunde nimmt die Beitragszahlung wieder auf und hat wieder den den typischen BU-Schutz, wie er ihn vorher auch hatte. 

Shiloo Köhnke: Gut. Jetzt noch eine Frage zum Thema Gesundheitsstatus. Wir haben darüber gesprochen, dass junge Leute den Vorteil haben, dass sie eben aufgrund ihres Alters meistens wenig oder gar keine Vorerkrankungen haben und eben kerngesund sind.

Wenn ich jetzt aber mein Studium hinter mir habe, in den Beruf eingestiegen bin und die ersten Berufsjahre auch gearbeitet habe und das ein oder andere Zipperlein aufgetreten ist - mit Mitte/Ende 30 - wie behandle ich das Thema Gesundheitsfragen?

Welche Gesundheitsangaben sind relevant beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung?

Dr. Arne Becker: Also beim Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt der Versicherer Gesundheitsfragen. Diese Gesundheitsfragen, das ist ganz wichtig, die müssen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden.

Warum ist das wichtig? Im Leistungsfall prüfen die Kollegen aus der Leistungsregulierung natürlich, wurden die Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet oder nicht, das ist die sogenannte vertragliche Anzeigepflicht, die der Kunde hat und wenn die verletzt worden ist, wenn der Kunde also Unwahrheiten gesagt hat dann würden wir die Leistung auch ablehnen.

Shiloo Köhnke: Man darf also nicht schummeln.

Dr. Arne Becker: Man darf auf gar keinen Fallschummeln und das sollte man auch nicht, weil dann hat man wirklich mit Zitronen gehandelt.

Jetzt hattest du gefragt, was ist so zwischendurch? Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir sind als Versicherungsgesellschaft nur in der Lage die Prämie zum Vertragsbeginn zu kalkulieren und das führt eben dazu, dass alles was danach kommt, nicht anzeigepflichtig ist.

Wenn du also später irgendwie erkrankst, aber eben noch nicht so stark, dass du Berufsunfähigkeit anmelden würdest, dann musst du uns das auch nicht sagen.

Shiloo Köhnke: Und dann spielt es auch keine Rolle, wenn ich dann ein Leistungsfall werde, noch ein paar Jahre später?

Also beispielsweise: Ich habe diese Versicherung abgeschlossen, habe zu dem Zeitpunkt auch wahrheitsgemäß alle Angaben gemacht, die erforderlich waren und dann 2, 3 Jahre später stelle ich fest, ich habe extremen Leistungsdruck oder rutsche vielleicht so ein bisschen in eine Depression rein und nehme da auch psychologischen Rat, in Anspruch und führe da Gespräche, das muss ich nicht angeben?

Und wenn das aber dann sich so stark vielleicht verschlimmert in den darauffolgenden Jahren, dass sich daraus eine Berufsunfähigkeit ergibt, dann habe ich trotzdem Anspruch auf die Leistung obwohl ich euch zwischenzeitlich nicht gemeldet habe, beispielsweise oder meinem Versicherer zwischenzeitlich nicht gemeldet hab, dass ich vielleicht in psychologischer Betreuung war.

Dr. Arne Becker: Genau. Genau dafür ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung gemacht, dass sie dann im Leistungsfall auch wirklich leistet.

Aber wichtig ist, um bei deinem Beispiel zu bleiben wenn wir feststellen, dass diese psychische Belastung schon zu Vertragsbeginn stattgefunden hat und du da vielleicht auch schon beim Arzt warst, dann ist es tatsächlich eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht die im schlimmsten Fall dann dazu führt, dass wir die Leistung ablehnen müssen.

Aber alles, was während der Laufzeit passiert, ist nicht anzeigepflichtig und hat keinen negativen Einfluss auf den Leistungsentscheid. Sehr gut, das war noch mal ein wichtiger Punkt.

Shiloo Köhnke: Jetzt haben wir ja die grundlegenden Fragen im Umfeld der Berufsunfähigkeitsversicherung glaube ich wirklich sehr sehr gut erörtern können.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, lieber Arne. Arne, zum Abschluss noch eine persönliche Sache: Du bist wie gesagt Produktspezialist, du bist Versicherungsmathematiker und sogar Aktuar. Gibt es irgendwas, was du nicht kannst? Oder hast du in den letzten drei Monaten oder im letzten Jahr irgendwas gelernt, was du vorher noch nicht konntest?

Dr. Arne Becker: Da muss ich kurz überlegen...  😊

Shiloo Köhnke: Also Kekse backen oder so?

Dr. Arne Becker: Was ich gelernt habe ist, ich mach total gerne Sport und jetzt waren wir natürlich auch vom Lockdown betroffen in der Corona-Phase, ich konnte nicht mehr ins Fitnessstudio gehen und musste mir natürlich Alternativen suchen.

Ja, und dann habe ich mich mit einem guten Freund verabredet zum Training auf der Terrasse bei uns. Und ich mach ganz gerne Kraftsport, wir brauchen also Gewichte. Jetzt waren keine Gewichte da, aber eine gute Alternative waren eben die sogenannten Resistance-Bänder, das sind so Gummibänder mit verschiedenen Widerständen, mit denen konnte man das Training auch ganz gut absolvieren und das war das, was ich gelernt habe.

Shiloo Köhnke: Sehr gut, sehr gut. Gut, lieber Arne, vielen vielen Dank, dass du hier warst im Gespräch. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch das ein oder andere neu gelernt über die Berufsunfähigkeitsversicherung. Ich danke dir herzlich für Deine Zeit.

Dr. Arne Becker: Sehr gern Shiloo mir hat es auch viel Spaß gemacht. Danke schön.

Foto: Hannoversche